Thomas Grimm
Historischer und aktueller Hintergrund
Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine verstärken sich die Flüchtlingsströme aus dem
postsowjetischen Raum nach Deutschland. Nicht nur, dass über eine Million Ukrainer und
Ukrainerinnen in unserem Land Schutz finden, so kommen auch Flüchtlinge aus Russland, die vor
dem System Putin fliehen müssen. Aber es gibt bereits seit den 90er Jahren eine große postso-
wjetische Einwanderung von Russlanddeutschen und jüdischen Kontingentflüchtlingen.
Insgesamt leben in Deutschland nach dem Mikrozensus von 2022 rund vier Millionen Menschen
und ihre Nachkommen aus der ehemaligen Sowjetunion bzw. ihren Nachfolgestaaten.
Zum Vergleich: im Jahr 2023 lebten 2,8 Millionen Menschen mit türkischen Migrationshintergrund
in der Bundesrepublik.
Berlin Zielort russischer Migration
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1990/91setzte eine große postsowjetische Migrationswelle aus den Nachfolgestaaten der UdSSR ein. Auch im Jahr 2025 ist Berlin eine Hochburg russischsprachiger Menschen. Man geht davon aus, dass ca. 250.000 Russischsprachige in Berlin leben, allein in Marzahn- Hellersdorf 30.000. Dazu kommen über 100.000 Geflüchtete aus der Ukraine, die sowohl die russische als auch die ukrainische Sprache benutzen.
Wer Russisch spricht, ist noch lange kein Russe

In den Berliner Straßen und Cafés sind Russischsprechende seit der Invasion von Putins Truppen in die Ukraine unüberhörbar. Tausende Geflüchtete aus der Ukraine, aber auch aus Russland leben neu in der Stadt und treffen hier auf eine alteingesessene russischsprachige Community.
Fast alle diese Menschen haben einen postsowjetischen Hintergrund, sind mit der russischen Sprache aufgewachsen oder haben sie von der Familie übernommen. Sie kommen u. a. aus Kasachstan, Usbekistan, Kirgistan, Georgien, Weißrussland, der Ukraine, dem Baltikum und
Russland. Wir Deutschen unterscheiden im Alltag diese heterogene Herkunft kaum, wir nennen sie alle umgangssprachlich einfach „Russen“, worüber insbesondere die Russlanddeutschen wenig Verständnis aufbringen können.
Die Interviews in unserer Reihe „Postsowjetische Identitäten“ sollen all diesen verschiedenen
Menschen eine Möglichkeit geben, uns Deutschen einen Einblick in ihre Herkunft, ihren
Werdegang und über ihre Migrationserfahrung in der Bundesrepublik zu geben. Alle Interviews
sind frei zugänglich und können für Bildungs- und Migrationsarbeit genutzt werden. In
Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung und dem Berliner Landesbeauftragten für
Deutsche aus Russland, Spätaussiedler und Vertriebene soll diese Gesprächsreihe fortgeführt und ausgebaut werden.